Hier veröffentlichen wir Interviews, Artikel, Dokumentationen und Beiträge, welche in engem Zusammenhang mit der Thematik von Pro Senectute stehen.
Dr. Heinz Rüegger – Theologe, Ethiker und Gerontologe – referierte am 11. November 2024 über das Leben und insbesondere über das Sterben. Mit seinen brisanten und spannenden Aussagen und Gedanken fesselt er das gut 100-köpfige Publikum im Lindensaal Teufen.
«Sterben ist gesund»: Der Titel des Vortrags hätte irritieren oder abschrecken können. Auf Einladung der Pro Senectute Appenzell Ausserrhoden kamen am Montagnachmittag gegen hundert Interessierte nach Teufen, um dem Theologen und Gerontologen Heinz Rüegger zuzuhören. Sie verliessen den Lindensaal nach zwei Stunden mit leichten Herzen.
Heinz Rüegger hat sich seit Jahren mit dem Altern und dem Alter beschäftigt, auf die Suche nach Lebenskunst begeben und sich mit dem Sterben und dem Tod – auch dem eigenen - auseinandergesetzt. Der Theologe, Ethiker und Gerontologe hat neben zahlreichen theologischen Publikationen, auch Bücher über das Altern und Sterben publiziert und mit dem Palliativmediziner - und mit ihm verschwägerten – Roland Kunz, leitender Arzt am Spital Herisau, das Buch «Über selbstbestimmtes Sterben - Zwischen Freiheit, Verantwortung und Überforderung» geschrieben. Am vergangenen Montag wollte er mit den Gästen über das Thema nachdenken, «das schräg in der Landschaft steht».
Den Tod ernst nehmen
Er rief in Erinnerung: «Mensch sein, heisst sterblich sein». Heinz Rüegger riet, sich der Gewissheit zu stellen: «Das könnte dem Leben zugutekommen». Der Tod sei kein Makel, dennoch haben die Menschen seit Urzeiten ein Problem damit.
Der 71-Jährige findet es wertvoll und entlastend, zu gegebener Zeit Platz zu machen für die, die nach ihm kommen. Er sei sich bewusst, dass niemand unersetzlich ist. Die eigene Sterblichkeit lehre Demut und Bescheidenheit. Schon C.G Jung war überzeugt, man müsse den Tod wertschätzen, das Sträuben dagegen sei ungesund und beraube die zweite Lebenshälfte ihres Ziels.
Der Herrgott sei nicht zuständig dafür, wann und wie wir sterben, sagte Heinz Rüegger, wie die Menschen dachten, bevor naturwissenschaftliche Erkenntnisse und medizinischen Fortschritte die Haltung zu Krankheiten und Tod veränderten. Früher ist man einfach gestorben. «Heute müssen wir mitreden. Wir müssen entscheiden, wie wir sterben.» Die grosse individuelle Freiheit in der heutigen Gesellschaft sei auch eine Überforderung.
Heinz Rüegger empfiehlt, gemäss der geflügelten Worte «Memento mori» und «Carpe diem» das Leben auszukosten, «anstatt mit einem depressiven Grauschleier durchs Leben zu gehen». Ein positives Verhältnis zur Endlichkeit und eine bejahende Einstellung zum gelebten Leben können das Sterben leichter machen, so seine Überzeugung. Er malte das Lebensende nicht rosarot. Im Vortrag schloss er Schmerzliches wie Schicksalsschläge oder eine von körperlichen Leiden geprägte letzte Lebenszeit nicht aus. Der Tod sei ein wertvoller Aspekt des Lebens – «den wir ernst nehmen sollten». Vor zwei Jahren veröffentlichte eine Expertenkommission in der renommierten Medizin-Zeitschrift The Lancet provokante Thesen: Sterben ist gesund. Sterben ist ein natürlicher Teil des Lebens, nicht nur eine Katastrophe. Die Aufforderung der Experten lautete: Der Tod soll wieder zurückgebracht werden in die Mitte des Lebens.
Über das Sterben bestimmen
An diesem Nachmittag wurde auch auf ein verbreitetes Missverständnis hingewiesen: Selbstbestimmtes Sterben, heisst nicht sterben mit einer Sterbehilfeorganisation. Selbstbestimmtes Sterben heisst nicht suizidal zu denken, sondern zu entscheiden wie und vielleicht wann ich sterben möchte, welchen Behandlungen und lebensverlängernden Massnahmen ich zustimme – oder eben nicht. Damit auch die Angehörigen in diesem Sinn handeln und in emotional herausfordernden Situationen entscheiden können, ist es unabdingbar, früh mit ihnen darüber zu sprechen. «Es liegt an uns», sagte ein Zuhörer angesichts der geballten Ladung Lebenserfahrung im Saal.
Heinz Rüegger weiss als Spital- und Heimseelsorger, viele Menschen fürchten sich davor, dass man sie nicht sterben lässt, wenn es ihrer Ansicht nach Zeit dafür ist. Sie fürchten sich davor, im Spital in der letzten Lebensphase ausgeliefert und fremdbestimmt zu sein. Viele wollen nach einem Herzstillstand nicht reanimiert werden.
«Für Mediziner ist der Tod zum Todfeind geworden», konstatierte er. Lange galt die Devise, der Tod müsse mit allen Mitteln hinausgezögert werden. Deshalb sei es sehr begrüssenswert, dass der Ruf nach selbstbestimmten Sterben immer lauter werde. Dazu brauche es nicht nur medizinische Fachkompetenz, sondern ebenso menschliche Beziehungsnetze. Die Palliativmedizin und Palliative Care-Organisationen setzen sich dafür ein. Bei unheilbaren Krankheiten seien die Bemühungen um einen friedlichen Tod wichtiger, als Anstrengungen zur Lebensverlängerung – vor allem bei älteren Menschen. Schmerzen sollen gelindert, die Lebensqualität in der verbleibenden Zeit gefördert, aber der Tod nicht beschleunigt werden. Heinz Rüegger freut sich, dass mittlerweile flächendeckende Palliative-Netze bestehen und von der Gesundheitspolitik unterstützt werden.
Früh genug darüber reden
Wie meistens bei Anlässen zum Thema Sterben wurde auch diesmal betont, wie wichtig es ist, mit seinen Nächsten alles zu besprechen, bevor unheilbare Krankheiten, plötzliche Unfälle oder ein Todesfall die Hinterbliebenen vor anspruchsvolle Entscheidungen stellen. Es gilt Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung und Testament zu verfassen. Dazu kann man sich Unterstützung bei der Pro Senectute holen (s. Kasten). «Mit allem was wir schriftlich festhalten, erleichtern wir unseren Nachkommen den Umgang mit Entscheidungen und das Handeln im Todesfall, sagte Sabrina Steiger, Geschäftsleiterin von Pro Senectute AR, die zum Vortrag von Heinz Rüegger begrüsst hatte.
Manche Zuhörerin und mancher Zuhörer verliessen den Saal vielleicht mit guten Vorsätzen. Gut vorstellbar ist, dass sie nach dem von Zugewandtheit, Vertrauen und Lebensfreude geprägten Referat dem Sterben gelassener entgegenblicken.
Unter Palliative Care sind alle Massnahmen versammelt, um unheilbar kranken Menschen die letzte Lebenszeit so erträglich wie möglich zu machen. Die individuelle Lebensqualität steht im Fokus. Das kann oft die Schmerz- und Angstlinderung sein oder das Verbringen der letzten Lebenszeit im gewohnten Umfeld. Palliative Care umfasst medizinische Pflege, psychologische, soziale und spirituelle Betreuung – daheim, im Altersheim oder im Spital - und bezieht in allem auch die Angehörigen ein. In Appenzell Ausserrhoden ist die palliative Versorgung unter Mitwirkung verschiedener Akteure regional organisiert: Forum Palliative Care AR Hinterland, Forum Palliative Care Vorderland (bei Spitex angesiedelt) und Forum Palliative Care Rotbachtal. Die Foren sind Ansprechpartner und vernetzen alle Angebote, sie organisieren Informationsanlässe für Interessierte und Erfahrungsaustausch unter Akteuren. Die Regionalgruppe sind Mitglied von palliative ostschweiz und verpflichten sich damit den Standards und Richtlinien von palliative ch.
Der vorliegende Artikel berichtet von einem Vortag in Teufen, zu dem Pro Senectute AR eingeladen hat, mit Dr. Heinz Rüegger, Theologe, Ethiker und Gerontologe und Autor zahlreicher Bücher zum Thema.
Bei Pro Senectute ist ein komplettes Vorsorgedossier erhältlich. Darin können sämtliche persönlichen Anliegen und Wünsche deponiert werden, damit im Ernstfall niemand den Willen einer verunfallten, dementen oder sterbenden Person erraten muss. Der Docupass ist die Basis, damit Angehörige und Fachkräfte im Todesfall oder beim Verlust der Urteilsfähigkeit im Sinn der Verfasserin, des Verfassers handeln können. Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung und Testament stärken die Selbstbestimmung und entlasten die Angehörigen bei schwerwiegenden Entscheidungen.
Der Docupass ist auf das Erwachsenenschutzgesetz abgestimmt. Welches Dokument wann erstellt wird, liegt im Ermessen der Verfassenden. Die Dokumente werden regelmässig überprüft, bei Bedarf angepasst und können online hinterlegt werden, damit sie unabhängig von Ort und Zeit für die zuvor bestimmten Personen zugänglich sind. Wichtig ist, sich frühzeitig damit zu befassen. Bei Fragen, beim Verfassen von Anliegen und beim Ausfüllen der Formulare helfen Personen der örtlichen Beratungsstellen gern.
Jürg Wild, Sozialarbeiter von Pro Senectute Appenzell Ausserrhoden, gibt Generation2 im Gespräch einen vertieften Einblick in das Angebot von Pro Senectute.
Unsere Vorträge wurden live aufgenommen und Sie haben hier die Möglichkeit, sich die Livestreams in Ruhe anzuschauen.
Das Erbrecht ändert sich per 1. Januar 2023. Hierzu führen wir zusammen mit altrimo ag einen Vortrag durch.
Hier Liveaufnahme vom Vortrag am 05.12. in Speicher anschauen
Einfach nur vergesslich oder Alzheimer?
Diese und viele weitere Fragen wurden an unserem Live-Event vom 9. November 2021 von Fachpersonen beantwortet.
Hier können Sie sich die Film-Aufnahme ansehen:
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Hier können Sie sich das Programm mit den Kontaktdaten zum Thema "Alzheimer" ansehen.
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Was passiert, wenn ich plötzlich entscheidungsunfähig bin? Welche Behandlung möchte ich im Fall einer Erkrankung?
Diese und viele weitere Fragen wurden an unserem Live-Event vom 27. Mai 2021 von Fachpersonen beantwortet.
Hier können Sie sich die Film-Aufnahme ansehen:
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Hier können Sie sich die Präsentation zum Thema "Patientenverfügung" ansehen.
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Hier können Sie sich die Präsentation zum Thema "Vorsorgeauftrag" ansehen.
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Diese Anlässe wurden gemeinsam von folgende Parteien organisiert:
Pro Senectute sucht in verschiedenen Gemeinden neue Sportleiterinnen oder -leiter (auch frisch pensionierte Frauen und Männer sind willkommen) und freut sich über Ihre Kontaktaufnahme. Werden Sie Teil des engagierten Teams und helfen Sie älteren Menschen, ein aktives und gesundes Leben zu führen.
Anfragen bitte an: Amanda Gatti, Leiterin Sport und Bildung Telefon 071 353 50 39, E-Mail: amanda.gatti@ar.prosenectute.ch